Wochenlange Staunässe – was passiert da im Boden?
Aus dem Inhalt:
Die anhaltenden Niederschläge seit über einen halben Jahr haben massiv alle Feldarbeiten von der Ernte bis zur Aussaat behindert. Der Bodenwasservorrat für den Start in die Vegetationsperiode 2024 wurde bis weit in den Unterboden aufgefüllt. Die aktuelle Staunässe in der Ackerkrume zeigt sich in einer nutzbaren Feldkapazität von mehr als 100%, was sich erheblich auf viele Bodenprozesse und den Pflanzenbestand auswirkt. Was gilt es in puncto Düngung jetzt zu beachten?
Mit der Versickerung des Regenwassers werden ausserhalb der Vegetationszeit auch immer die im Bodenwasser gelösten Nährstoffe mit nach unten verlagert – wie etwa Stickstoff, Schwefel, Magnesium, Kalium, Kalzium und Bor.
Aber noch ein wichtiges Element wird knapp: Bei anhaltender Staunässe fehlt schlicht und einfach Sauerstoff, denn die eigentlich luftgefüllten Grobporen sind mit Wasser gefüllt. Der im Bodenwasser gelöste Sauerstoff ist irgendwann verbraucht. Dafür reichert sich CO2 an. Sauerstoff im Boden ist unabdingbar für die Wurzeln sowie für Bodenfauna und -flora. Ohne Sauerstoff gibt es keine Wurzelatmung als Energiebasis in der Wurzel. Alle aeroben Prozesse wie Strohrotte, Mineralisation oder auch Nitrifikation stoppen. Dafür dominieren anaerobe Prozesse wie die Vergärung leicht abbaubarer organischer Substanzen inklusive der Wurzelhaare zu Essig-, Milch- und Buttersäuren.
Dieser oft komplette Wurzelabbau mit dem moddrigen Geruch bei einer Bodenbeprobung ist der am deutlichsten direkt wahrnehmbare Effekt. Ohne Wurzeln ist die Versorgung von Sproß und Blatt unterbrochen, die Pflanzen sterben ab.
Wie geht es jetzt weiter?
- Sobald die Flächen begehbar sind, hilft der Überblick über aktuelle eigene Nmin- und Smin-Werte bis 90 cm Bodentiefe, die Verlagerungssituation besser zu beurteilen. Ist alles ausgewaschen? Wo liegen die Werte höher? Je geringer der Tongehalt im Boden ist, um so geringer werden Kalium, Magnesium und Kalzium sorptiv gebunden und ebenfalls stark verlagert.Bis man auf die Flächen kann, helfen satellitengestütze Programme zur Darstellung von Biomasse und Stickstoffaufnahmekarten. Besonders im Raps und im Weizen kann man so jetzt schon Streukarten für die Homogenisierung der Bestände vorbereiten.
- Klar ist, dass Düngerstreuen erst möglich wird, sobald der Boden ausreichend befahrbar ist.. Das bedeutet gleichzeitig, dass sich der normale aerobe Lebensraum im Oberboden wieder normalisiert hat.
- Jede Unterstützung der Wurzelbildung wird jetzt wichtig. Das kann durch die Startgabe mit einem NPK-Volldünger erfolgen oder einen schwefelhaltigen Nitratdünger. Auch eine gezielte Blattdüngung mit Phosphat, Magnesium und Schwefel hilft.
Warum jetzt Nitratstickstoff besonders sinnvoll ist
Nitrat hat zur ersten Stickstoffgabe besondere Vorteile:
- Es wird sicher per Transpiration von den Pflanzen aufgenommen – auch bei sehr wenig Wurzelmasse. Für die Nitrat–Aufnahme und –Verarbeitung in der Wurzel werden keine Energie und Kohlenhydrate benötigt, wie es zum Beispiel bei Ammoniumstickstoff der Fall ist.
- Nitratstickstoff steht kaum in Konkurrenz zum gleichzeitig entstehenden Stickstoffbedarf für die Verrottung von Stroh und Mulchauflage durch die Mikroorganismen mit der Bodenerwärmung. Dafür wird Ammonium-N bevorzugt.
- Zusätzlich zieht Nitrat als Anion mehr Kalium und Magnesium mit in die Pflanze als das positiv geladene Ammonium.
- Und nicht zuletzt löst Nitrat die Bildung des Wachstumshormons Cytokinin aus. Das beschleunigt die Wurzelbildung und die Anlage der Triebe.
Fazit
Je länger die Ackerkrume komplett vernässt ist, desto drastischer wirkt sich der daraus entstehende Sauerstoffmangel im Boden auf die Pflanzenwurzel und die chemischen Prozesse im Boden aus. Deshalb stehen nach der oberflächlichen Abtrocknung zu Vegetationsbeginn all die Maßnahmen im Vordergrund, welche das Wurzelwachstum und die Bestockung fördern. Dazu gehört die Düngung mit schnell und direkt verfügbaren Nitrat-Stickstoff und Schwefel in Sulfatform.
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