Ist Bio wirklich nachhaltiger?
Viele Menschen sehen den Ökolandbau als die Lösung sämtlicher Probleme. Er soll umweltschonender und nachhaltiger sein. Doch ist es angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung überhaupt möglich, alle Gesellschaftsschichten mit Bio-Lebensmitteln zu versorgen?
Die Meinungen in der Fachliteratur gehen weit auseinander. Die einen halten den ökologischen Landbau für ineffizient. Die anderen sehen in ihm eine große Chance, die Weltbevölkerung nachhaltig mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Fakt ist aber: ungefähr 800 Millionen Menschen auf der Erde sind chronisch unterernährt. Laut Daten der FAO aus dem Jahr 2017 leben sie überwiegend in Asien und Afrika. Gleichzeitig wächst die globale Bevölkerung und damit der Bedarf an Nahrungsmitteln unaufhaltsam. Um die Weltbevölkerung zukünftig noch ernähren zu können, muss die Lebensmittelproduktion in den nächsten 30 Jahren um 60 bis 100 % gesteigert werden (Meemken; Qaim 2018 nach Godfray et al. 2010 / Hertel 2015). Hinzu kommen Herausforderungen, wie Umweltschutz und Klimawandel, die es zu bewältigen gilt.
Eine Studie zeigt: Bio ist nur bezogen auf die Fläche nachhaltig, nicht aber ertragsmäßig
Die Agrarökonomen Dr. Eva-Marie Meemken und Prof. Dr. Matin Qaim von der Universität Göttingen befassten sich mit den Effekten, die der Ökolandbau auf Umwelt, Klima und Gesundheit weltweit hat. Dabei untersuchten sie genauer, ob der Ökolandbau auch vor dem Hintergrund der globalen Ernährungssicherung als nachhaltig eingestuft werden kann. Hierzu werteten sie rund 150 Einzelstudien und Meta-Analysen aus. Ihre Erkenntnisse:
Zwar hat der Ökolandbau Vorteile in Hinblick auf Klima, Biodiversität und Wasserschutz. Aber nur, wenn man diese Effekte auf die Fläche bezieht, und nicht auf den Ertrag. Denn im Ökolandbau wird deutlich mehr Fläche benötigt, um den gleichen Ertrag zu erzielen wie im konventionellen Anbau. Hinzu kommt, dass der Biolandbau weltweit gesehen immer noch eine Nische ist. Nur auf etwa 1 % der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche werden Lebensmittel ökologisch angebaut. Wollte man also zukünftig die wachsende globale Bevölkerung ausschließlich mit Biolebensmitteln ernähren, müsste man die Ökoanbauflächen stark ausdehnen. Und dies ginge nur auf Kosten von Wäldern und artenreichen Lebensräumen. Die positiven Umwelteffekte, die der Ökolandbau zweifelsohne hat, würden somit überlagert werden von den negativen Effekten der Flächenerweiterung, wie etwa Treibhausgasemissionen und Artenschwund. Das Hauptproblem des Ökolandbaus liegt also in den deutlich geringeren Erträgen.
Die Ertragsunterschiede liegen bei bis zu 50 %
Weltweit liegt die Ertragslücke vom ökologischen zum konventionellen Anbau bei insgesamt 19 bis 25 % (Meemken; Qaim 2018). Wobei die Ertragsunterschiede bei Wurzel- und Knollenfrüchte sowie bei Getreide (29 %) wesentlich größer ausfallen als bei Leguminosen (15 %). In Deutschland liegt die Ertragslücke mit Blick auf den spezialisierten Marktfruchtbau sogar bei 50 % und ist in den vergangenen Jahren stetig größer geworden (Noleppa 2016). Gründe dafür liegen zum Beispiel im Einsatz unterschiedlich effizienter Dünge- und Pflanzenschutzmittel.
- Düngemittel:
Damit hohe Erträge erzielt werden können, brauchen die Pflanzen zur richtigen Zeit ausreichende Nährstoffmengen. Da im Biolandbau aber überwiegend organische Düngemitteln zum Einsatz kommen, entsteht häufig ein Engpass an Stickstoff und Phosphor (Berry et al. 2002 / Oehl et al. 2002). Das gilt vor allem für die Hauptwachstumsphase. Beide Nährstoffe aus organischen Düngemitteln sind für die Pflanzen nicht sofort verfügbar. Sie müssen erst im Boden von Mikroorganismen umgewandelt werden, damit die Pflanzen sie aufnehmen können. Mineralische Düngemittel, die sofort verfügbaren Stickstoff und sofort verfügbares Phosphat enthalten, haben hier einen Vorteil. Sie dürfen allerdings im ökologischen Anbau nicht verwendet werden. - Pflanzenschutzmittel:
Der Ökolandbau ist anfälliger gegenüber Schädlingen. Einerseits ist hierfür der Verzicht auf moderne Züchtungsmethoden verantwortlich, aber auch das Verbot chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel. Gerade bei einem starken Auftreten von Schädlingen kann dieser Verzicht zu großen Ertragsverlusten führen (Meemken; Qaim 2018).
Bioprodukte: Zu teuer für Entwicklungsländer
Geringe Erträge bedeuten zugleich höhere Kosten pro Produkteinheit. Somit sind Bioprodukte im Schnitt teurer als Konventionelle. Für Gesellschaften, die mehr als 50 % ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, sind solche Produkte nicht erschwinglich. Daher eignen sie sich nicht zur Ernährungssicherung der Weltbevölkerung (Meemken; Qaim 2018).
FAZIT: Die Kombi macht´s
Was benötigt wird, sind Anbausysteme, die sowohl produktiv als auch umweltschonend sind. Eine Lösung sehen Meemken und Qaim in der Kombination aus konventionellen und ökologischen Anbaumethoden. Es werden einerseits effiziente Dünge- und Pflanzenschutzmittel benötigt sowie leistungsfähige und resistente Sorten. Andererseits zählen sicherlich auch die weiten Fruchtfolgen und die besondere Bodenpflege des ökologischen Landbaus dazu. Sie sorgen für eine bessere Bodenqualität und vermindern die Bodendegradation. Natürlich müssen bei der Entwicklung solcher neuen Systeme die jeweiligen Standortbedingungen berücksichtigt werden. Auch neue Verfahren, die die Pflanzengenetik gezielt verbessern, müssen miteinbezogen werden.
Meemken, E.-M., Qaim, M. (2018): Organic agriculture, food security, and the environment. Annual Review of Resource Economics. URL: https://doi.org/10.1146/annurev-resource-100517-023252, Abrufdatum: 04.10.2018.
Godfray H.C.J., Beddington J.R., Crite, R., Haddad, L., Lawrence, D. et al. (2010): Food security: the challenge of feeding 9 billion people. Science Vol 327 (2010): 812–818.
Hertel T.W. (2015): The challenges of sustainably feeding a growing planet. Food Security Vol. 7 (2015) :185–198.
Berry, P.M., Sylvester-Bradley, R., Philipps, L., Hatch, D.J., Cuttle, S.P. et al. (2002): Is the productivity of organic farms restricted by the supply of available nitrogen? Soil Use and Management Vol. 18 (2002): 248–255.
Oehl, F., Oberson. A., Tagmann, H.U., Besson, J.M., Dubois. D. et al. (2002): Phosphorus budget and phosphorus availability in soils under organic and conventional farming. Nutrient Cycling in Agroecosystems Vol. 62 (1/2002): 25–35.
Noleppa, J. (2016): Pflanzenschutz in Deutschland und Biodiversität – Auswirkungen von Pflanzenschutzstrategien der konventionellen und ökologischen Landbewirtschaftung auf die regionale und globale Artenvielfalt. HFFA Research Paper (1/2016): 4–7. URL: https://www.iva.de/sites/default/files/pdfs/studie_pflanzenschutz_in_deutschland_und_biodiversitaet_hffa_2016.pdf, Abrufdatum: 04.10.2018.
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