Betriebsreportage Juli 2011
Agrarwetter – eine Herausforderung für Meteorologen
Der Beratungsservice effizient düngen bietet auf seiner Website (www.effizient-duengen.de) einen 14-Tage-Wetterservice für die Landwirtschaft an. Durch die langanhaltende Trockenheit in Deutschland in diesem Jahr und die damit erwarteten Ertragseinbußen ist das Thema „Wetter“ derzeit im Fokus der Landwirte. Deshalb möchten wir in unserer zweiten effizient düngen Betriebsreportage dieses aktuelle Thema näher beleuchten – und dabei auch unseren 14-Tage-Wetter Meteorologen Andreas Fincke vorstellen.
Ihr effizient düngen Team ed
ed: Herr Fincke, wie sind Sie zum „Agrarwetter“ gekommen?
Hier spielten zwei Interessen von mir eine Rolle: Wetterkunde und Landwirtschaft. Ich habe mich früh für beides interessiert; die Entscheidung ist dann allerdings für das Studium der Meteorologie gefallen. Während meiner Tätigkeit als Medienmeteorologe für Radio und Internet habe ich die Zielgruppe „Landwirte“ entdeckt. Die Tatsache, dass der Deutsche Wetterdienst den Service des kostenlosen Wetterfaxes Ende der 90er Jahre einstellte, hat mich darin bestärkt, einen Wetterservice direkt für die Landwirtschaft anzubieten. Gemeinsam mit Bauernverband und Bund der Maschinenringe habe ich dann neue Wetter-Informationssysteme für diesen Bereich erstellt.
ed: Welche Unterschiede ergeben sich zu „normalen“ Wettervorhersagen?
Normale Wettervorhersagen wie z.B. in Radio oder TV, benennen die Wetterentwicklung, Höchst- Tiefsttemperatur und evtl. Windgeschwindigkeiten für heute und die nächsten Tage. Informationen für die Landwirtschaft müssen sehr viel genauer sein, es sind andere Parameter zu berücksichtigen. Hierbei geht es vor allem um die Region, Bodenzustand, Spätfröste, Trockenperioden, Kornfeuchte, Wärmesummen etc. So gesehen kann man zusammenfassen: Kurzfristvorhersagen müssen sehr viel regionaler sein, Mittelfristvorhersagen müssen spezielle Parameter beinhalten.
ed: Wie lässt sich das Wetter so weit im Voraus (14-Tage) prognostizieren? Wie hoch ist die „Trefferquote“ bei diesen langfristigen Voraussagen?
Insgesamt ist die Prognose über 10 Tage sehr viel genauer geworden als noch vor einigen Jahren. Dennoch gibt es bei Prognosen von mehr als 7 Tagen erhebliche Unsicherheiten, die ein guter Meteorologe in seinen Wetterberichten auch benennt. Wie groß die Unsicherheiten sind kann der Meteorologe an der Dynamik der Wetterlage ablesen; also einfach ausgedrückt: wie wechselhaft ist die Lage. Und dann gibt es mehrere Prognosemodelle, die an unterschiedliche Berechnungen gekoppelt sind. Je mehr sich diese Modelle untereinander widersprechen, desto unsicherer ist die Prognose. Wichtig ist, dass diese Unsicherheiten auch im Prognosetext benannt werden, damit der Kunde, in diesem Falle der Landwirt, sich nicht auf eine besonders unsichere Vorhersage verlässt.
ed: Wie funktioniert die detaillierte, regionale Voraussage? Wie hoch ist hier die Trefferwahrscheinlichkeit?
Eine detaillierte regionale Vorhersage ist eigentlich nur über wenige Stunden bis maximal 1 Tag möglich. Es gilt die Faustregel: je regionaler die Prognose, desto kurzfristiger der Vorhersage-Horizont. Ein Beispiel dazu: Wasserdampf in der Luft ist Energieträger Nummer eins und damit der Motor des Wettergeschehens. Es hängt sehr viel davon ab, wie hoch die Wassermenge ist, die am Tag verdunstet. Allerdings verdunstet an einem sonnigen Augusttag über einem Maisfeld ca. 7 Liter pro Quadratmeter. Sobald das Feld allerdings abgeerntet ist, liegt die Verdunstung nur noch bei ca. 2 Litern pro Quadratmeter. Und kein Prognosemodell der Welt kann das Ernteverhalten eines jeden Landwirtes berücksichtigen. Dieses Beispiel zeigt, dass es oft regionale Unsicherheiten gibt, die mit herkömmlichen physikalischen Modellen nicht zu bewältigen sind. Daher setzt man so genannte MOS-Modelle (Model Output Statistics) ein, die mit statistischen Methoden versuchen, die Lücken der physikalischen Modelle zu füllen. Ein Beispiel hierfür ist die Berechnung des Niederschlagsradars: Wie verhält sich typischerweise eine Regenfront, wenn sie an den Taunus gelangt? In welchen Regionen regnet es weniger, in welchen mehr? Das sind Fragen die MOS beantworten kann.
Die Antwort auf Ihre Frage: Bei einer hoch regionalen Prognose mit einer Genauigkeit von zwei Kilometern ist eine Wettervorhersage über mehr als 24 Stunden unseriös.
ed: Sind „Bauernregeln“ wissenschaftlich belegbar? Könnten Sie uns eine „Bauernregel“ nennen, die in den letzten Jahren am häufigsten eingetreten ist bzw. ihre Gültigkeit hatte?
Die meisten Bauernregeln sind vor etlichen Jahrhunderten entstanden, als Bauern und Mönche die Wetterbeobachtung gepflegt haben. Beste Beispiele hierfür sind Eisheilige, Schafskälte oder Hundstage. Wenn man die Regeln nicht genau an den Stichtagen fest macht, dann haben sie eine recht gute Gültigkeit (ca. 60%). So bestimmt nach Siebenschläfer Regel der 27. Juni, wie das Wetter der nächsten 7 Wochen aussehen wird. Tatsächlich bestimmt sich Ende Juni/Anfang Juli die Lage des Azorenhochs, das entscheidend für unser Sommerwetter ist. Je weiter nördlich es liegt desto unwahrscheinlicher ist ein wechselhafter Sommer. So lange man sich nicht am Stichtag des 27.6. festhält, sondern die generelle Witterung der Zeit 25.6. bis 10.7. als Anhang nimmt, so lässt sich daraus ein ganz guter Trend für das nachfolgende Sommerwetter ablesen.
ed: Wie ist die Trefferquote des 100-jährigen Kalenders? Ist die Gültigkeit wissenschaftlich belegbar?
Der 100-jährige Kalender ist nicht mehr als ein Marketing Gag, den sich Ende des 19. Jahrhunderts ein findiger Geschäftsmann ausgedacht hat: Eigentlich wiederholt sich im 100-jährigen Kalender alle 7 Jahre das Wetter, aber der Begriff 100-jähriger Kalender hört sich besser an. Aus meteorologischer Sicht ist das absoluter Unsinn…
ed: Wie sehen Sie das Thema „Klimawandel“? Sind Frühsommertrockenheiten wie in diesem Jahr dafür Vorboten oder relativieren sich statistisch solche extremen Witterungen auf die letzten 100 Jahre gesehen?
Der Klimawandel existiert und kann dramatische Formen annehmen, auch bei uns in Deutschland. Extremwettersituationen werden wahrscheinlicher, wie z.B. Trockenphasen, Starkregenereignisse oder Stürme. Es ist aber schwierig, konkrete Witterungsverläufe auf den Klimawandel zu schieben. Lange Trockenheiten sind immer mal wieder aufgetreten; auch so katastrophal wie in diesem Jahr. Viel entscheidender sind Parameter wie die Erwärmung der Weltmeere oder globale Temperaturen. Eine trocken-warme Periode über Europa kann durch eine kühl-feuchte Periode in Nordamerika ausgeglichen werden. Von daher kann man nicht generell sagen, dass ein Extremwetterereignis auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Die Häufung dieser Extreme in den letzten Jahren beruht allerdings auf einer Veränderung des Klimas.
ed: Herr Fincke, vielen Dank für das interessante Interview!
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