Plädoyer für die variable N-Gabe
Die klassische dreigeteilte Stickstoff-Strategie
Die aktuelle Preissituation auf den Getreidemärkten zwingt Landwirte zur Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten im Getreideanbau. Eine Alternative wäre, aus Kostengründen auf die klassische dreigeteilte Stickstoffgabe zu verzichten und auf die Einmalstrategie zu setzen. Lohnt das?
Julia Arens, Unna
Vorweg: Landwirte, die nicht auf die klassische dreigeteilte Stickstoff-Düngestrategie setzen, verzichten auf ein hohes Maß an Flexibilität bei ihren Entscheidungen für optimale Düngungszeitpunkte. Denn die geteilte N-Gabe orientiert sich am Vegetationsverlauf und am tatsächlichen Nährstoffbedarf des Pflanzenbestands. Mit dieser variablen „Mehrfachstrategie“ können Landwirte individuell auf nicht vorhersehbare Witterungsbedingungen und auf pflanzenverfügbare Stickstoffmengen im Boden angepasst reagieren, anders als bei der „Einmalstrategie“, bei der langsam wirkender oder stabilisierter Stickstoffdünger in einer Gabe ausgebracht wird.
Warum Stickstoffgaben teilen?
Während des Vegetationsverlaufs brauchen Kulturpflanzen ausreichend Stickstoff, damit die zum Ertragsaufbau nötigen Stoffwechselvorgänge ablaufen können. Die Entwicklung des Pflanzenbestandes wird unter anderem auch beeinflusst von der
- Witterung: Wasserversorgung, Boden- und Lufttemperaturen und
- Stickstoffnachlieferung des Bodens.
Diese mitbestimmenden Faktoren sind nicht planbar. Deshalb ist es sinnvoll, sich erst während der Vegetation zu entscheiden, wie stark und wann die Düngung den Ertragsaufbau der Pflanze positiv beeinflussen soll. Wie sehr die optimale Düngemenge auf einem Standort abweichen kann, zeigt beispielhaft die Abbildung 1.
Vegetationsstadien beachten
Kritische Vegetationsstadien für den Ertragsaufbau sind Bestockung, Schossen und Ährenschieben.
Bestockung, beispielsweise beim Winterweizen im Frühjahr, ist der Zeitpunkt, zu dem Landwirte mit geeigneter Andüngung wichtige Ertragsmerkmale beeinflussen: Tausendkorngewicht, Kornzahl pro Ähre und Anzahl Ähren tragender Halme. Zum Verständnis: Je nach Sorte werden beim Winterweizen mehr als zehn Ähren tragende Halme angelegt, die allerdings beim Schossen wieder zu einem Großteil verringert werden.
Schossen ist der Zeitpunkt, zu dem Landwirte mit einer frühen zweiten mineralischen Stickstoffgabe (EC 30 = Beginn des Schossens) die Triebdichte für den Ertragsaufbau bestimmen, die Ährchenanlage für den Einzelährenertrag fördern und mit einer späteren Stickstoffgabe (EC 32 = Zwei-Knoten-Stadium) die Kornzahl pro Ähre absichern. Entscheidend sind demnach für den Ertragsaufbau:
- Anzahl Ähren tragender Halme und
- Kornzahl pro Ähre.
Optimal sind zwei bis drei kräftige Triebe erster und zweiter Ordnung, je nach Bestandsdichte. Durchaus erwünscht ist auch eine Triebreduktion von Trieben höherer Ordnung.
Ährenschieben ist der Zeitpunkt, zu dem Landwirte mit der letzten Stickstoffgabe das Ertragsziel bestimmen: Eine frühe Spätgabe (EC 37/39 = Erscheinen des letzten Blattes, also noch vor dem Ährenschieben) sichert die Kornfüllung ab und steigert das Tausendkorngewicht; eine späte Stickstoffgabe zu Beginn des Ährenschiebens (EC 51) erhöht den Proteingehalt des Korns, siehe Abbildung 2.
Sollen A- und E-Winterweizensorten entsprechend ihrer Ertrags- und Qualitätseigenschaften ausgedüngt werden, kann es sinnvoll sein, die Stickstoff-Spätgabe aufzuteilen, z. B. in eine
- a-Gabe zum Erscheinen Fahnenblatt/ Fahnenblatt voll entwickelt (EC 37/39): 80 kg N/ha und
- b-Gabe zum Ährenschieben (EC 51): 40 kg N/ha.
B- und C-Sorten benötigen eine frühe N-Gabe, da sie in erster Linie auf hohen Ertrag, weniger auf hohe Proteingehalte gezüchtet werden.
Wie war die Situation 2009?
Das Jahr 2009 begann sehr kalt – Temperaturen von bis zu 20 Grad minus wurden in einigen Regionen gemessen. Tiefe Boden- und Lufttemperaturen hinderten das Pflanzenwachstum bis in den März hinein. Im April sind häufig noch genug Niederschläge gefallen. Der Mai war in vielen Regionen sehr trocken. Oft fehlten zur Kornfüllungsphase im Winterweizen die Niederschläge.
Die tiefen Temperaturen und lange Frostperioden im Winter 2008/2009 hatten zur Folge, dass ein Großteil des Stickstoffs zu Vegetationsbeginn noch nicht pflanzenverfügbar war, obwohl häufig hohe Nmin-Werte gemessen wurden. Sie geben den Gehalt an pflanzenverfügbarem Ammonium- und Nitratstickstoff im Boden an.
Der Ammoniumstickstoff wird bei tiefen Bodentemperaturen sehr verhalten umgesetzt. So wurden binnen sechs Wochen bei einer Bodentemperatur von fünf Grad Celsius nur etwa 50 % des Ammoniums zu schnell verfügbarem Nitrat umgebaut. Auch die Stickstoffwirkung von organischen Düngern, beispielsweise Gülle, war sehr verhalten, denn Stickstoff ist in der Gülle sowohl organisch gebunden als auch als Ammoniumstickstoff vorhanden. Lediglich eine schnell wirkende Stickstoffdüngung zu Vegetationsbeginn stellte eine optimale Versorgung auch bei tiefen Temperaturen sicher.
Landwirte, die sich zur Andüngung aus Preisgründen für eher langsam wirkende Dünger wie Harnstoff entschieden haben, klagten häufig über die fehlende Startwirkung in den Pflanzenbeständen.
Auch bei Einsatz von stabilisierten Stickstoffdüngern ohne Anteil an schnell verfügbarem Nitrat ist die Startwirkung stark abhängig von den Bodentemperaturen und war deshalb eher verzögert. Bei derartigen Düngern wird oft die sogenannte Einmalstrategie gefahren, das heißt: Die gesamte Düngermenge wird zu Vegetationsbeginn ausgebracht und muss für die gesamte Vegetationszeit der Frucht ausreichen. Allerdings weiß der Landwirt zu Vegetationsbeginn noch nicht, wie sich die Witterung entwickelt, wie viel Stickstoff der Boden nachliefert und wie viel Stickstoff in mineralischer Form der Getreidebestand letztlich benötigt.
Schossgabe kam gut zur Wirkung
Die zweite Stickstoffgabe, die Schossgabe, wird in den meisten Regionen ab Anfang April ausgebracht. Im April 2009 konnten die Niederschläge gut für diese Düngung ausgenutzt werden, da die Trockenheit vielerorts erst später einsetzte. Zum Zeitpunkt des Schossens kann bereits der Stickstoffbedarf mit dem Yara N-Tester gemessen werden. Wurde viel organischer Dünger oder stark ammoniumbetont gedüngt, zeigte der N-Tester häufig hohe Stickstoffbedarfswerte an, weil die Wirkung der organischen Dünger oder des Ammoniumstickstoffs sich verzögerte.
Wer bei der Düngung eine Einmalstrategie fährt, kann jedoch zu diesem Vegetationszeitpunkt nicht mehr auf die Pflanzenentwicklung reagieren.
Spätgabe auf leichten Standorten häufig ausgelassen
Die Vorsommertrockenheit in 2009 machte besonders Landwirten auf leichten Standorten sehr zu schaffen. Aber auch auf besseren Standorten wurde die Situation kritisch.
Einige Betriebsleiter entschieden sich dafür, die letzte Stickstoffgabe auszulassen.
Fakt ist, dass drei bis fünf Nächte Tau ausreichen, um bei wasserlöslichen Düngern die Nährstoffe aus dem Düngerkorn zu lösen und in den einige Millimeter entfernten feuchteren Teil des Bodens zu transportieren. Voraussetzung ist allerdings, dass die Nährstoffe wasserlöslich sind.
Wer vermehrt harnstoffhaltige Stickstoffdünger einsetzt, muss dagegen mit dem Risiko steigender Entgasungsverluste in Trockenphasen leben. Versuche in Großbritannien belegen, dass diese Verluste im Durchschnitt bei etwa 20 % des gedüngten Stickstoffs liegen. Bei längerer Trockenheit erhöhen sie sich deutlich.
Fehlende Niederschläge führten zu weiteren Problemen. Stickstoff aus organischen Düngern wurde nur bedingt mineralisiert und war damit nur eingeschränkt pflanzenverfügbar.
Auf Standorten mit deutlichem Niederschlagsmangel war das Auslassen der letzten N – Gabe durchaus sinnvoll, weil die Pflanzen den Stickstoff nicht mehr ausnutzen konnten. Landwirte, die sich für Einmaldüngung entschieden hatten, verschenkten Düngermengen, weil sie nicht mehr mit „Auslassen“ reagieren konnten.
Einmalstrategie als Zukunftsmodell?
Versuchsergebnisse zeigen, dass die geteilte Stickstoffgabe einer Einmalstrategie im Ertrag überlegen ist, eben weil Landwirte flexibel auf Witterung, Stickstoffnachlieferung des Bodens usw. individuell eingehen können (Abb. 3).
Jedes Jahr ist anders. Bei einer geteilten Stickstoffgabe können Landwirte zur rechten Zeit reagieren. Sie können Boden- und Pflanzenanalysen wie Nmin , N-Tester und andere Hilfsmittel zu Rate ziehen, um noch genauer die Verfügbarkeit von Stickstoff im Boden und den Stickstoffbedarf der Pflanzen zu ermitteln. Die Ergebnisse helfen dem Landwirt bei der Entscheidung, die optimale Düngermenge zu bestimmen und auszubringen.
Fazit
Landwirte, die auf die Strategie einer dreigeteilte Stickstoffdüngergabe setzen, handeln ökonomisch und ökologisch richtig. Sie versuchen, nahe an das Optimum heranzukommen durch Verhindern von Stickstoffmangel und -überschüssen. Ökonomie und Ökologie gehen so Hand in Hand. (ha) NL
Neue Landwirtschaft 11 | 2009
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