Herausforderungen der Harnstoffandüngung
„Düngerkosten senken!“ Dieser Gedanke stand sicher im Vordergrund, wenn entschieden wurde, Stickstoff je kg N günstig einzukaufen. Nicht selten sind auf diesem Weg Harnstoffe aus „aller Herren Länder“ auf landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland gekommen. Bei der anstehenden Startgabe geht es nun darum, mit dem Harnstoff die Andüngung so gut als möglich zu meistern. Nachstehend werden einige wichtige Aspekte im Umgang mit Harnstoff dargestellt.
Andüngung heißt Anschieben der Bestände
Die Bestände sind überwiegend gut aus dem Winter gekommen. Die Böden sind tief gefroren und müssen sich nun ausreichend erwärmen, bis sie in der Lage sind die im Boden vorhandenen Nährstoffe in der Menge freizusetzen, wie sie für das Wachstum der Pflanzen benötigt werden. Auf Grund der gleichzeitig nur geringen Mineralisierung über Winter und der momentan hohen Wassersättigung ist nicht damit zu rechnen, dass den Pflanzen zu Vegetationsbeginn frühzeitig und ausreichend Stickstoff zur Verfügung steht.
Für die relativ späte Andüngung im März sind unter Berücksichtigung der Nmin-Werte tendenziell um 10 bis 20 kg N höhere N-Gaben mit KAS oder AN+S anzusetzen. Bei einer Andüngung mit Harnstoff sollte diese Gabe um 20 bis 40 kg N über der standorttypischen ersten Gabe liegen, um die langsame Wirkung des Harnstoffes einigermaßen kompensieren zu können.
Diese hohe Andüngung ist darin begründet, dass der Harnstoff, um pflanzenverfügbar zu werden, in Ammonium (NH4) und dann in Nitrat (NO3) umgesetzt werden muss.
Dieser langsame Prozess hat wahrscheinlich eine fehlende Startwirkung zur Folge, die in der Vegetation nicht mehr aufgeholt und ausgeglichen werden kann.
Über die größere N-Menge kann so versucht werden bei einer Harnstoffdüngung – trotz Verzögerungen – Stickstoff in die Pflanzen zu bekommen.
Stickstoffbilanzüberschuss vermeiden
Es zeigt sich auf vielen Standorten, dass mit Harnstoff fast gleich hohe Erträge erzielt werden können wie mit KAS. Hierzu sind aber höhere N-Mengen erforderlich. Durch die hohe Andüngung und insgesamt geringere N-Effizienz des Harnstoffes wird besonders in viehhaltenden Betrieben die Stickstoffbilanz belastet. Ab dem Jahr 2011 sind im dreijährigen Mittel nur noch bis 60 kgN/ha N-Überschuss erlaubt. 2009 ist für die Berechnung in 2011 das erste relevante Jahr!
Um geringe N-Salden zu fahren, muss die N-Effizienz hoch sein. Für die hohe Andüngung mit Harnstoff heißt dies, dass der Landwirt erkennen muss, wann der Stickstoff aus der ersten Gabe tatsächlich pflanzenverfügbar geworden ist (N-Tester, Düngerfenster), um dann über folgende Düngergaben gegen zu steuern.
Das Risiko eines zu hohen Bilanzüberhangs bleibt jedoch gerade nach einer hohen Andüngung mit Harnstoff bestehen, da die „Übermengen“ aus der Andüngung bei nachfolgenden Gaben ausgleichend abgezogen werden müssen, was dann wahrscheinlich zu Ungunsten des Ernteergebnisses geschehen wird.
Streueigenschaften von Harnstoff richtig einschätzen
Harnstoffprodukte bekannter Herkunft – und damit auch in den Teststreuhallen der Düngerstreuerhersteller getestete Produkte – können mit modernen Düngerstreuern ausgebracht werden. Stimmen die physikalischen Eigenschaften der Importe nicht, können Düngerkörner beispielsweise auf der Streuscheibe zerplatzen. Staub entsteht und verschiebt das gesamte Streubild und verringert die realisierbare Streubreite. Die tatsächliche Streufähigkeit der Importe wird oftmals leider erst beim Streuen sichtbar. Praktiker gehen teilweise davon aus, selbst bei 18 m Arbeitsbreite „zwischen Fahren“ zu müssen. Es ist ratsam, sich auf die mangelnden Streueigenschaften der Dünger einzustellen, und notfalls in den „sauren Apfel“ zu beißen und zwischen zu Fahren. Der Verlust durch eine unzureichende Querverteilung ist deutlich höher einzuschätzen (siehe Newsletter 45), als höhere Kosten durch zusätzlich angelegte Fahrgassen (Flächenverlust durch die Fahrgasse, Diesel, Arbeitszeit, Schlagkraft).
Zudem ist auf Wind bei der Ausbringung von leichten Harnstoffdüngern zu achten. Bereits bei Windgeschwindigkeiten ab 4 m/s treten bei Harnstoffdüngung nicht mehr tolerierbare Streufehler auf.
Fazit:
Niedrige Erzeugerpreise üben hohen Druck auf die Betriebsmittelkosten aus. Die Schwächen von Harnstoffen sind richtig einzuschätzen, um unter den Gegebenheiten die Bestände bestmöglich aufbauen zu können. Je nach Höhe des Ertrags- und Qualitätsausfalls wird nach der Ernte bekannt sein, wie weit die Ersparnisse beim Harnstoffeinkauf aufgebraucht oder überschritten wurden.
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