Patentrezepte gibt es nicht
Düngechronik Das Auf und Ab der Preise verlangt optimale Kauftermine. Ackerbauer Karl Raff vom Hofgut Hermannstein bewertet seine Entscheidungen der vergangenen Jahre bei Harnstoff und Kalkammonsalpeter und zieht Schlüsse daraus.
Mit steigenden Kosten für Energie, Saatgut, Pflanzenschutz und Düngung erhöht sich das Risiko im Ackerbau. Die Erzeugerpreise werden laut Marktexperten künftig mehr schwanken. Wer unter solchen Marktbedingungen rentabel wirtschaften will, muss alle Betriebsmittel weiter optimieren. Beim Düngen sind intelligente Strategien nötig. Das zeigt das Beispiel des Betriebs Hermannstein in Hessen.
2007: Extreme Witterung
• Januar 2007: Carsten Raff , Sohn des Betriebsleiters Karl Raff , braucht eine neue Düngestrategie für das Hofgut, das bisher weitgehend ohne Grunddüngung wirtschaftet, keinen Schwefel düngt, aber Klärschlamm ausbringt. Im Herbst hat er erstmals Harnstoff eingelagert. Der extrem günstige Preis verlockt dazu, obwohl er damit bisher noch keine Erfahrungen hat. Betriebsleiter und Berater Roland Stamm fragen sich: Wie kann Harnstoff , der sehr witterungsabhängig reagiert, so effizient wie möglich eingesetzt werden? Wie lassen sich Verluste minimieren?
• Februar 2007: Berater und Betriebsleiter erstellen einen Düngeplan. Sie stehen vor der Entscheidung: Wie düngen wir Getreidebestände an, die sich stark entwickelt haben? Die übliche Empfehlung hätte gelautet: moderat. Anders der Berater: Er empfiehlt ein erhöhtes Andüngen mit 80 kg N/ha, weil der Betrieb den vorhandenen Harnstoff nutzen muss. Damit versucht er, die unsichere Wirkung des Harnstoffs mit höheren Mengen auszugleichen. Nachteil: Der Bewegungsspielraum für die spätere Düngung geht verloren.
• März 2007: Startschwierigkeiten. Die viel zu nasse Witterung verhindert, dass die erste N-Gabe zu Raps termingerecht ausgebracht werden kann. Als die Flächen Ende März endlich befahrbar sind, überzeugt der Berater den Betriebsleiter, die komplette N-Menge von 180 kg/ha in einer Harnstoff gabe auszubringen.
• April 2007: Das hochsommerliche Wetter gibt dieser Strategie Recht. Der Raps entwickelt sich gut. Die Bestände zeigen keinen N-Mangel. Bei geteilter Gabe mit Harnstoff zu dem späten Zeitpunkt hätte der sicher gedroht. Da keine S-haltigen N-Dünger verfügbar sind, wird Sulfatschwefel mit jedem Pfl anzenschutzeinsatz kombiniert – ein Versuch, den S-Bedarf zum Teil abzudecken.
Die Schossergabe zu Getreide wird in der ersten Aprilwoche mithilfe des N-Testers ausgebracht. Intensives Betesten zeigt den Unterschied zwischen Nitrat- und Harnstoff düngung während der anhaltenden Trockenperiode. Auf den Harnstoff gedüngten Schlägen wird mit zunehmend schlechterer Wasserversorgung ein Anstieg des N-Bedarfs ermittelt. Der Grund: Die Mineralisation kommt wegen der Trockenheit fast zum Stillstand. Bei nitratbetonter Düngung auf Vergleichsstandorten verläuft die Stickstoff – Versorgung dagegen optimal.
• Mai 2007: Anfang Mai setzt Regen ein. Erst dieser kann den Harnstoff gedüngten Stickstoff im Boden wieder verfügbar machen. Die Düngung schlägt zum Teil um vier Wochen verzögert an: eine Erfahrung, die der versierte Landwirt bisher noch nicht gemacht hatte. Den Bedarf zur dritten Gabe ermittelt ebenfalls der N-Tester. Gegenüber dem ursprünglichen Plan spart Raff im Schnitt 10 kg N/ha. Der Düngernachkauf kann um 1 t geringer ausfallen. Für eine sichere Wirkung wird KAS eingesetzt.
• August 2007: Nach der Getreideernte ist das Resümee eindeutig: Stickstoff wird effi zienter angewendet als bei der bisher üblichen Strategie, zudem etwas weniger ausgebracht. Die Einbußen durch die Trockenheit im April sind geringer als erwartet. Vor allem im Raps sichert die ungewöhnliche N-Einmalgabe rund 38 dt/ha Ertrag. Das Getreide bringt normale Erträge von etwa 75 dt bei Weizen und 65 dt/ha bei Roggen, obwohl im April und Mai 2007 sechs Wochen kein Regen fiel.
• Oktober 2007: Dennoch prägen sich alle Unsicherheiten, die der Harnstoff einsatz mitsich bringt, beim Betriebsleiter ein:
• Unvorhersehbare N-Wirkung,
• zu hohe Andüngung zur Absicherung,
• erschwerte Flexibilität der N-Düngung,
• fehlender Schwefel, höhere Kalkzehrung,
• höhere Gefahr für gasförmige Verluste.
2008: Echte Herausforderung
Zusammen entwickeln Betriebsleiter und Berater folgende Düngestrategie für 2008:
• Um die Grundnährstoffe P, K, Mg und S in löslicher und leicht verfügbarer Form zur Vegetation in Höhe des Entzugs kostengünstig bereitzustellen, wird früh im Herbst ein S-haltiger NPK-Dünger und KAS geordert.
• Die beiden Dünger werden auf den schwach versorgten Böden des Betriebs zum Bedarfszeitpunkt zielgenau ausgebracht.
• Aufgrund der Bodenuntersuchungsergebnisse wird die bisherige Klärschlammdüngung beibehalten, um zusätzlich den P-Gehalt im Boden langfristig zu sichern.
Das bedeutet: Der Raps wird mit S-haltigem NPK-Dünger angedüngt. Die Anschlussgabe kommt zwei Wochen später mit KAS. Im Getreide wird S-haltiger NPK-Dünger zur Startgabe und im Anschluss KAS in der zweiten und dritten Gabe gegeben.
Der N-Tester kommt auch 2008 zum Einsatz. Weil Ammonnitrat-haltige Dünger ausgebracht werden, sind die Messwerte leichter zu interpretieren als zuvor. Die Ernte kann sich sehen lassen: Winterweizen erreicht Spitzenerträge von 85 dt/ha, Roggen 70, Raps 45 dt/ha, er übertrifft damit das langjährige Mittel von 35 dt. „Dieser Zuwachs“, so Carsten Raff , „ist auf keinen Fall nur auf Jahresschwankungen zurückzuführen. Ich habe im Lohn auch für Nachbarn gedroschen und deren Raps war deutlich schwächer im Ertrag.“ Die Wiegescheine belegen seinen Eindruck.
2009: Umsichtiger Einkauf
• Oktober 2008: Für die Saison 2009 sollte wie im Jahr zuvor Dünger auf Lager gelegt werden. Aufgrund der Marktsituation verzichtet Raff auf den Düngerkauf – trotz verlockender Angebote für Harnstoff im Winter 2008/2009. Schließlich kauft er Anfang 2009 KAS für die Startgabe, trotz hoher Preise. Während der Vegetationsperiode zeichnen sich jedoch Preisrückgänge für nitrathaltige Dünger ab.
• März 2009: Für die zweite Gabe wird relativ günstig Ammonsulfatsalpeter (AN+S) gekauft . Damit werden Getreide und vor allem Raps noch rechtzeitig mit S versorgt.
• April 2009: Der Preisrückgang setzt sich bis zum Termin der dritten Gabe fort. So wird im Schnitt über alle drei Kauftermine ein guter mittlerer Preis pro kg N erreicht. Im Nachhinein betrachtet werden die Vorzüge der schnellen N-Wirkung kaum teurer eingekauft als in anderen „normalen“ Jahren.
Betriebsleiter Karl Raff hat in den drei Jahren seine eigene Erfahrung durch die Empfehlungen des Beraters ergänzt. Beide stimmen sich meist telefonisch ab, wodurch sie kurzfristig auf aktuelle Wachstums- und Witterungsbedingungen sowie Marktgegebenheiten reagieren. Raff : „So treffe ich meine Entscheidungen nun sicherer. Zudem profitiere ich von der ein oder anderen Idee. Die höhere Düngeeffizienz durch den N-Tester hat mich überzeugt.“
2010: Weniger Preissprünge
Das Erntejahr 2010 bringt neue Herausforderungen: Vor allem die veränderte Situation beim Nährstoffkauf ist zu bewältigen. Die Düngung der Grundnährstoffe soll weiter optimiert werden. Raff : „Den eingeschlagenen Weg werden wir weiter beschreiten.”
• November 2009: Raff wartet ab. „Eigentlich habe ich mich geärgert“, sagt Karl Raff zu Berater Roland Stamm. Seit Sommer 2009 sind die Preise für nitrathaltige Düngemittel relativ attraktiv. „So wäre der Frühkauf einer Teilmenge für die kommende Düngesaison lohnend gewesen. Ich habe aber keine Lagerkapazitäten und kann auch nicht absehen, ob ich diese bis zum Liefertermin frei hätte.“ Ein Problem, das viele Betriebsleiter kennen. Die Ernte liegt auf Lager, der Preis dafür dümpelt auf niedrigstem Niveau und die liquiden Mittel sind im Moment knapp. „Da denkt keiner ernsthaft an den Düngerkauf, auch wenn es preislich noch so attraktiv ist.“ Viele Berufskollegen sind in einer ähnlichen Situation. Allerdings gibt es auch Betriebe, die bereits Einlagerungsverträge abgeschlossen haben.
• Dezember 2009: Karl und Carsten Raff warten den Winter ab und kaufen Dünger ein, wenn das eingelagerte Getreide verkauft ist. Angst vor großen Preissprüngen haben sie nicht. „Da hat uns der Berater beruhigen können, weil er die Zusammenhänge auf dem Düngermarkt aus einer anderen Sicht erklärt hat, als wir sie in der Regel sehen.“ Der Preis für Dünger weltweit hängt von der Nachfrage ab. Die Nachfrage wiederum wird von den Erzeugerpreisen für Ackerkulturen beeinflusst. Zudem spielen die Energiekosten, vor allem Erdgas, eine sehr wichtige Rolle. Solange die Erzeugerpreise am Boden sind und die Energiepreise nicht extrem ansteigen, ist davon auszugehen, dass die Preise für nitrathaltige Düngemittel nur moderat ansteigen.
Die Betriebsreportage über den Ackerbauer Karl Raff vom Hofgut Hermannstein mit dem Titel „Patentrezepte gibt es nicht“ (erschienen in der dlz Ausgabe Dezember 2009) können Sie hier als PDF lesen und ausdrucken. >> mehr (PDF ca. 127 kB)
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